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Bei seinem Premierenkonzert im Bürgerhaus Karlsfeld präsentiert sich die neu gegründete Süddeutsche Bläserphilharmonie prächtig in den Klangfarben und facettenreich in der Auswahl der Stücke Von Dorothea Friedrich, Karlsfeld
Der Name hält, was der Titel verspricht: Ralph Vaughan Williams‘ (1872-1958) „Toccata Marziale“ hat so gar nichts kirchenmusikalisch Erhabenes an sich; sie wurde schließlich 1924 eigens für Blasorchester komponiert – und erwies sich als spannende Fortissimo-Ouvertüre zum Premierenkonzert der neu gegründeten Süddeutschen Bläserphilharmonie. Initiator Mathias Stößlein hatte etwa 60 Musiker für dieses anspruchsvolle Projekt gewinnen können. Sie zeigten am Freitagabend im gut besuchten Karlsfelder Bürgerhaus unter der musikalischen Leitung von Philipp Kufner im ersten Teil sowie Bernhard Willer im zweiten Teil, wie ein so ambitioniertes Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden kann: mit hohem Engagement aller Beteiligten, mit großem Können und mit einer facettenreichen Programmauswahl, die einen weiten Bogen von der Spätromantik bis zur Moderne spannte und sich im ersten Teil auf Stücke konzentrierte, die explizit für Blasorchester geschrieben worden sind.
So auch die „kriegerische Toccata“. Dirigent Kufner gestattete seinen Musikern kein Auftrumpfen und Ausscheren, sorgte vielmehr von Anfang an für Wohllaut und Gleichberechtigung aller Instrumentengruppen und machte so aus der Toccata ein echtes Gusto-Stückerl. Die 1971 entstandenen „Sketches on an Tudor Psalm“ von Fisher Tull (1934-1994) beginnen dagegen geradezu elegisch. Sie basieren auf einer Vertonung des zweiten Psalms („Warum toben die Völker“) des englischen Komponisten Thomas Tallis (1505-1585). Wirklich beeindruckend waren wunderschöne Passagen, in denen ein fast zartes Schlagwerk – in der Süddeutschen Bläserphilharmonie mit reichlich Vertretern seiner Gattung ausgestattet – sich mit den Klarinetten zu einem erhabenen Ganzen zusammenfand. Auch das dritte Werk hatte Krieg und Frieden zum Thema, war eine Reminiszenz an den D-Day, die Landung alliierter Truppen am 6. Juni 1944 in der Normandie. Komponist Darius Milhaud (1892-1974) hat in seiner 1945 uraufgeführten Suite Française den fünf Regionen Frankreichs ein Denkmal gesetzt, „in denen die amerikanischen und alliierten Armeen zusammen mit der französischen Untergrundbewegung um die Befreiung meines Landes kämpften“, wie er schrieb. Basis seiner oft tänzerisch anmutenden Komposition sind französische Volkslieder aus der Normandie, der Bretagne, der Île-de-France und Paris, Elsass-Lothringen und der Provence. Die Süddeutsche Bläserphilharmonie machte daraus ein Landschaftsgemälde mit schweren, erdigen, stürmischen Tönen, mit harten Winden und sanftem Säuseln, mit Großstadtgewimmel und südlicher Sonne. Das war Kino für die Ohren, eine Reise durch Frankreich, genüsslich und genussvoll musiziert vom gesamten Ensemble und in jeder Hinsicht hervorragenden Solisten.
Klangfarbenprächtig ging es nach der Pause mit der Ouvertüre zu „Russische Ostern“ von Nikolai Rimski-Korsakow (1844-1908) weiter. Dirigent Willer ließ seine Musiker den spätromantischen Klassiker so machtvoll spielen, dass man sich in der an die russisch-orthodoxe Osterliturgie angelehnten Musik geradezu verlieren konnte. Da war es ein ziemlicher Schritt vom eher Spirituellen hin zum Handfesten in Form der „Lincoln Posy“. Kein Problem für die Süddeutsche Bläserphilharmonie: Sie beamte mit der Folksong-Suite des australischen Komponisten Percy Aldridge Grainger (1882-1961) ihr Publikum in Warp-Geschwindigkeit in eine englische Arbeiterkneipe zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das war ein großer Spaß und hatte partiell mehr als einen Hauch von Last Night of the Proms, bei der bekanntlich alljährlich ansonsten ziemlich distinguierte Damen und Herren rein gesangstechnisch die Sau rauslassen.
Im Karlsfelder Bürgerhaus übernahmen Instrumente diese dankbare Rolle und hielten sich dabei mit hörbarem Vergnügen an die Vorgabe des Komponisten, wonach jeder der sechs Sätze ein musikalisches Porträt des Sängers „und seiner gesanglichen Gewohnheiten“ zu sein hat, wie im informativen Programmheft zu lesen ist. Dort ist auch erfahren, dass bei der Uraufführung 1937 einige Sätze der Suite nicht gespielt werden konnten, weil sie für die damaligen Musiker zu anspruchsvoll waren. Das war am Freitag im Karlsfelder Bürgerhaus ganz anders: Jeder Einsatz, jeder Ton saß, das war filmmusikreif. Fazit: Die Süddeutsche Bläserphilharmonie hat in jeder Hinsicht überzeugt. Man darf schon jetzt gespannt auf die Konzerte 2020 sein. Vielleicht sogar in Karlsfeld.
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